JFS 655 Kölner Dom

JFS 655 Kölner Dom 1:300 (Thomas Pleiner im Aue-Verlag [Vormals J.F. Schreiber] Stuttgart/Möckmühl) – 21 Bogen

UPATE Juli 2022

… über 30 Jahre nach der Erstveröffentlichung dieses Modells war Gelegenheit, dies für eine Ausstellung noch einmal zu bauen. Hat Spaß gemacht und förderte auch keinerlei katastrophalen Ungenauigkeiten zutage. 
Begleitend konnten zwei Detail-Strukturen am Modell einer grundlegenden Überarbeitung unterzogen werden:

• Helme & Kreuzblumen
Dass die im Schreiber-Modell enthaltenen Kreuzblumen der Westtürme so sind wie sie sind ist dem Wunsch nach leichter Baubarkeit zu verdanken. Aber irgendwie sah das immer etwas leicht unproportioniert aus. Beide Helme wurden daher völlig neu konstruiert & gestaltet und mit plastischen und proportional korrekten Kreuzblumen ergänzt …

• Vierungsreiter
Der 1860 errichtete und in den 1960er und 1970er Jahren erheblich umgestaltete Vierungsreiter/Vierungsturm ist der »dritte« Turm des Kölner Domes. Er gehört zu jenen Teilen des Domes, für die keine mittelalterlichen Baupläne vorlagen. Im späten Mittelalter trug das Dach des Chores allerdings einen (kleinen) Dachreiter, der 1744 im Stil des Barock erneuert wurde. Dieser Vierungsreiter musste 1812 wegen Baufälligkeit jedoch entfernt werden.

Eine »Idealansicht« des vollendeten Domes von Sulpiz Boisserée aus dem Jahr 1821 sah einen massiven achteckigen Steinturm vor, der sich aus statischen Gründen nicht verwirklichen ließ, so dass 1860 unmittelbar nach dem Dachstuhl des Kölner Domes ein schmiedeeiserner Vierungsturm nach einem Entwurf des Dombaumeisters Ernst Friedrich Zwirner und Plänen seines Stellvertreters Richard Voigtel errichtet wurde. Der Vierungsreiter aus dem 19. Jahrhundert wurde im Zweiten Weltkrieg stark beschädigt, während der eiserne Unterbau fast unbeschädigt blieb.

Der Vierungsturm von Zwirner/Voigtel aus dem 19. Jh. ist der Bauzustand, der im seit 1988 verfügbaren Schreiber-Bogen No. 655 dargestellt ist.

Der Vierungsturm erhielt seine heutige Gestalt zwischen 1965 und 1973 durch eine neue Verkleidung mit schmückenden Elementen im Stil des »Art Déco«. Die ursprünglich an der Basis des Turmhelms angebrachten Wimperge wurden durch acht Engelfiguren aus mit Blei verkleidetem Lärchenholz nach einem Entwurf des Kölner Dombildhauers Erlefried Hoppe ersetzt, für die Hubert Bruhs die Holzkerne der Figuren anfertigte.

Aus einem völlig neu gefassten Ergänzungsbogen lässt sich ein alternativer Vierungsreiter bauen, der weitestgehend originalgetreu das aktuelle Aussehen darstellt.Die Reihenfolge der Bezifferung wurde beibehalten, d.h. die Baugruppen 102 – 104 müssen nur »ersetzt« werden.
Aktuelle Fotos der Handmuster mit den o.g. Verbesserungen im Anschluss.
Ob die »Ergänzungen« Aufnahme in die Auflagenproduktion des Modells finden, ist noch ungeklärt. Die Veröffentlichung des alternativen Vierungsturms im Eigenverlag ist in Vorbereitung …

                    

Folgender Text ist einer meiner früheren Veröffentlichungen aus dem Jahre 1991 entnommen:


Bereits im Jahre 1985 wurde im Rahmen einer unverbindlichen Modellplanung des Hauses J.F.Schreiber ein Kartonmodell des Kölner Domes diskutiert.
Im Jahre 1986 begannen meine ersten Recherchen für eine Modellkonstruktion des Kölner Doms.
Als Liebhaber sakraler, speziell gotischer Architektur, war die Modellentwicklung in zweierlei Hinsicht eine Herausforderung an meine zeichnerischen Fähigkeiten: erstens sollte ein Modell entstehen, das hohen Ansprüchen genügte, originalgetreu bis ins kleinste Detail gezeichnet und zweitens in der Konstruktion auf wenige räumliche Grundelemente beschränkt blieb, um auch weniger Geübten ein gelungenes Modeli zu ermög!ichen. Daß dies allen an der Produktion Beteiligten gelungen ist, beweist die stattliche Zahl von ca 3.000 verkauften Modellen in den ersten zweieinhalb Jahren seit dem Erscheinen.
Wie nähert sich ein Modellbaubogen-Konstrukteur einem Modell, über dessen endgültige Dimensionen mehr oder weniger verschwommene Vorstellungen herrschten? Nicht einmal der zeichnerische Aufwand war im entferntesten abschätzbar, als ich mich 1986 erstmals mit, dem »Vorbild« konfrontierte. Ein karges Zahlen- und Geschichtsgerüst und ein kalter, verregneter Apriltag waren der Anfang – allerdings verkniff man sich natürlich nicht die Turmbesteigung.

Während des Aufstiegs lernt man: Der Kölner Dom, eigentlich St. Peter und Maria, ist eines der bedeutendsten gotischen Kirchenbauunternehmen. Der Chor und das dreischiffige Querhaus sind nach dem Vorbild der Kathedrale von Amiens, aber mit fünfschiffigem Langhaus (wie schon der Vorgängerbau aus dem 11 . Jahrhundert) errichtet. Der Bau wurde im Jahre 1248 von Meister Gerard aus Amiens (bis 1271 ) begonnen und von Meister Arnold (bis gegen 1300) fortgeführt, der Chor 1322 geweiht. Am Außenbau ist erstmals in Deutschland das offene Strebewerk voll ausgebildet.  Querhaus und Langhaus blieben unvollendet, ebenso die Westfront, seit 1560 ruhten die Arbeiten ganz.
Sie wurden erst 1842 (282 Jahre später) nach den alten Plänen wieder aufgenommen und 1880 vollendet, eine bemerkenswerte Leistung  spätromantischer Denkmalpflege und des Historismus. Die gesamte Bauzeit betrug tatsächlich 632 Jahre und da der Dom nach den Beschädigungen des zweiten Weltkrieges wiederhergestellt wurde und permanenten  Restaurierungsarbeiten unterliegt, wird er wohl nie ganz fertig – eine der langfristigsten Baustellen der Menschheitsgeschichte.



 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Von diesem ersten Besuch wurden vor allem die später so wichtigen Kopien der Stiche von Sulpiz Boisserée mitgebracht. Das Werk Boisserée’s gibt einen äußerst detailreichen Einblick in die architektonischen Feinheiten des Doms.  Das verbleibende Jahr 1986 wurde zum Studium verschiedenster Bücher zum Dom genutzt, wobei Fotobände (siehe Literaturliste am Ende des Artikels) einen hervorragenden »Einstieg« in das Gesamtgefüge ermöglichten.
Im Zusammenhang mit den historischen und architektonischen Abhandlungen fügte sich zum Jahreswechsel 1987 ein erstes Verständnis für das komplexe Großkunstwerk. Der Vergleich von Stichen, Fotos und Plänen, ergänzt mit zeichnerischen Versuchen gotische Strukturen nachzuempfinden, ermöglichte endgültiges Hineindenken ins Bauwerk.

Seitens J. F.Schreiber kam dann der Auftrag Anfang 1987 und es begann die Phase der grafischen Realisierung.

Die selbstgestellten hohen Anforderungen wurden durch das Nachvollziehen der originalen Bauabfolge noch unterstrichen: Tatsächlich beginnt der Zusammenbau des Modells mit dem Chor und schreitet über die Unter- und Obergeschosse des Lang- und Querhauses bis hin zu den Westtürmen und dem Vierungsreiter fort. Die den gotischen Stil wesentlich mitprägenden »inneren« Strukturen des Doms sollten und konnten natürlich im Modell nicht gezeigt werden – die Gründe hierfür liegen auf der Hand. Durch die grundsätzlich verstandene Art und Weise des Dom Aufbaus gestaltete sich die Konstruktion der Abwicklungen relativ unkompliziert; das Modell wächst sozusagen aus einem inneren, »glatten« Kern nach außen, wobei die »zerklüfteten« Strukturen durch daran- und davorgestellte Kulissen nachgebildet werden.

Durch viele Versuche wurde gefunden, dass ein sehr günstiger Maßstab, in dem die Original Konstruktion dann angelegt wurde, 1:200 war. In dieser Größe ließ sich die konstruktive und dekorative Gotik in korrekten Proportionen bei vertretbarem zeichnerischem Aufwand in die Umrißkonstruktion integrieren. Leicht überzogene Schattendarstellung und in Ausnahmefällen gezieltes Zurücknehmen der Darstellungsvielfalt ermöglichten letztlich das sehr realistische und plastische Ergebnis. Dummerweise saß auch hier der Teufel im Detail: Die meisterhaften Stiche von Sulpiz Boisserée sind nicht immer identisch mit der Wirklichkeit, war doch sein Werk in erster Linie als »Public Relation« Maßnahme für den Weiterbau des Doms in den 20er Jahren des 19. Jahrhunderts entstanden. Und nach diesen Stichen wurde eben beim Bau nicht immer, oder doch verändert, vorgegangen. Solche Sachverhalte lassen sich nur entdecken, wenn jeder Vierpaß und jedes Dreiblatt, jede Krabbe usw. usw. auf Position und Aussehen überprüft wird.

Alles in allem erschien mir die »Übersetzung« des Originals in ein Kartonmodell gelungen. Der konstruktiv sorgfältigen Gestaltung des Modell-Innenlebens wurde besondere Aufmerksamkeit zuteil. Auf zu verstärkende Teile wurde völlig verzichtet. Statische Stabilität wurde prinzipiell durch die Wandkonstruktionen erzielt, die im nicht-sichtbaren Bereich weitgehend »leergeräumt« wurden, damit zusammen mit den Öffnungen in den Grundplatten komfortable Zugangsmöglichkeiten ins Innere bei gleichzeitiger höchstmöglicher Gesamtstabilität entstanden.

Das parallel zur Konstruktion entstehende Prüfmodell wuchs weiter und weiter, erste Detailverkleinerungen der Konturenzeichnungen auf den Maßstab 1:300 bestätigten außerdem die korrekte Wahl der Strichstärke. Das Risiko späterer, aufwendiger (und dann teurer) Korrekturen wurde dadurch minimiert, daß jedes Konstruktionselement vor der grafischen Ausgestaltung auf Originalkarton kopiert und gebaut wurde. Logischerweise wurde auch das zu jener Zeit verfügbare Modellprojekt des TaschenVerlages mit in das aufwendige Kontroll- und Prüfverfahren einbezogen; nicht zuletzt um die an jenem Modell festgestellten (teilweise erschreckenden) Versäumnisse zu konkretisieren und ähnliche Irrtümer am eigenen Modell zu vermeiden.



Je mehr das Modell des Doms in Länge, Breite und Höhe wuchs, umso sorgenvoller heftete sich der Blick des Konstrukteurs immer häufiger auf den Kalender und die wachsende Zahl der vor-montierten Bogen. Ursprünglich einmal auf sechzehn Bogen konzipiert, waren bereits zwölf Bogen gefüllt und noch kein Westturm – geschweige denn Teile des Strebewerks – waren verfügbar. Da aber diese zwölf Bogen bereits in einem entsprechenden Stadium waren, entschloß man sich, bereits in die Farbgebung und Lithographie »einzusteigen«. Dies bedeutete: »vorne« konstruieren und gestalten und »hinten« colorieren, lithographieren und andrucken. Nur am Rande sei dabei erwähnt, daß die angelegten Farbmuster mit dem Original abgeglichen wurden wobei natürlich ein Kompromiß zu finden war, denn den Luxus, z.B. die »Wetterseite« etwas grünlicher zu gestalten als die den Witterungseinflüssen abgewandten Seiten, hat man sich letztendlich nicht geleistet. Denn von Terminen redete zudem Zeitpunkt sowieso nur noch der Auftraggeber.

Die sich im Sommer 1987 abzeichnenden privaten Veränderungen verursachten eine beinahe viermonatige Pause bei den Konstruktions- arbeiten, die im Winter 87 in sehr verringertem Umfang wieder aufgenommen werden konnten. Trotzdem gelang es, für die Nürnberger Spielwarenmesse in Februar 1988 ein Ausstellungs und Fotografiermodell bereitzustellen. Die positive Resonanz dieses erstmals der Öffentlichkeit vorgestellten Karton Modells hatten einen möglichst raschen Abschluß der Arbeiten am Modell zu Folge.

Im März 88 waren dann alle im voraus kalkulierten sechzehn Bogen »gefüllt«, coloriert, lithographiert und angedruckt. Das Strebewerk fehlte immer noch (für das Messemodell war das Strebewerk aus einem Pfeiler und einem Strebe Bogen in mehrfacher Ausführung improvisiert worden) und wurde nun auf weiteren fünf Bogen plaziert. Ein gewaltiger Endspurt. Zuletzt waren noch schwarze und rote Bezifferung sowie die Montageskizzen anzufertigen. Als letzte Vorbereitung für den Auflagendruck war noch die Definition der grauen Flächen für die Rückseiten zu erledigen.

Am 31.5.1988 konnten nach achtzehnmonatigerArbeit die letzten Druckunterlagen übergeben werden. Die auf 21 gestiegene Bogenzahl war der Grund, das Modell als eine Art »Buch« zu konfektionieren. Als „Extra“ gibt’s eine historisch nachempfundene Zeichnung mit Details des Domes, auf deren Rückseite sind als Unterstützung für den Modellbauer alle Grundrisse abgedruckt. Sämtliche perspektivischen Montagezeichungen ermöglichen einen problemlosen Zusammenbau des Modells – allerdings sind 751 Teile kein Pappenstiel, daher ist auch eine Schritt-für-Schritt Bauanleitung erhältlich, die ich in privater Initiative seit 1989 anbiete.

Abseits dieser eher etwas nüchternen Betrachtungsweise hat eine solche Arbeit natürlicherweise Nebeneffekte, die sich rationaler Betrachtung entziehen. Am bedeutendsten ist wohl das immer weiter Hinausschieben der Grenzen eigener Fähigkeiten. Und als technischer Grafiker, mit dem Thema auch emotional sehr verbunden, hätte ich mir eine Fortsetzung meiner Arbeit mit ähnlichen Ansprüchen vorgestellt. 

(Text aus September 1991)

Eine von mir verfasste schriftliche Bauanleitung gibt es hier >>> KLNDOM

Literaturliste:
Abbildung auf der Titelseite der Bauanleitung:
Kölner Dom, Westfassade, Mittelfenster
(N.X. Willemin, Monuments Français inedits. Paris 1809—39)

Schulten, Walter DER DOM ZU KÖLN
1977 Greven Verlag Köln ISBN 3774301417

Klein, Adolf DER DOM ZU KÖLN
1980 Wienand Verlag Köln ISBN 3879090947

Kralisch/Ronte/Wolff DOMLANDSCHAFTEN
1980 Wienand Verlag Köln ISBN 3879090971

Clemen, Paul DER DOM ZU CÖLN
Düsseldorf 1937

Boisserée, Sulpiz
ANSICHTEN, RISSE UND EINZELNE THEILE DES DOMES VON KÖLN
Stuttgart 1822, 2.Aufl. München 1842

 Wallner, Michael DOME IN DEUTSCHLAND
1980 Omnibus Verlag, Wien 

Niedermeyer, Gerhard DEUTSCHE DOME
1941 Tazzelwurm-Verlag, Stuttgart

Pijoan, José DIE FRÜHCHRISTLICHE KUNST
1979 Grammont-Verlag, Lausanne ISBN 2827005425

Koch, Wilfried STILKUNDE DER BAUKUNST
1967 Mosaik Verlag München ISBN 3570030377

Rüdiger, Wilhelm DIE GOTISCHE KATHERALE
1979 DuMont Buchverlag Köln ISBN 3-7701-1095-1 1

Binder, Günther MASSWERK
1989 Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt ISBN 3-534-01582-7

Behling, Lottlisa : Gestalt und Geschichte des Maßwerks
Niemeyer – Halle/Saale – 1944 (2. Auflage 1977)

Nachstehend einige Fotos aus dem Gestaltungsprozess: (© 1987-1988 thomas pleiner)